Digitalisierung der Industrie 4.0

Digitalisierung der Industrie 4.0
Arbeit in Zeiten der vierten industriellen Revolution

Interview mit Josef Bednarski, Vorsitzender Konzernbetriebsrat, von der Deutschen Telekom AG in Bonn. Die Fragen stellte Elmar Niederhaus von Leadership für Politik und Wirtschaft.

Elmar Niedderhaus Leadership für Politik und Wirtschaft

Elmar Niedderhaus Leadership für Politik und Wirtschaft

Digitalisierung ist ein ständiger Prozess der Gestaltung digitaler Kommunikation. Wenn wir heute diesen Prozess als „revolutionär“ erleben, dann liegt das an der Entwicklung neuer Informationstechnik. Diese ist disruptiv. Sie bricht mit alten „Zöpfen“. Doch welche Möglichkeiten eröffnen sich für die Praxis? Der Systembruch überwindet die Trennung. Bisher in sich abgeschlossene Systeme als „Produktionsinseln“ verbindet er zu interaktiven Netzwerken. Dadurch können diese nun Daten austauschen. Die Wertschöpfung wird effektiver, weil Ressourcen besser genutzt werden können. Entweder verbessern sich bestehende Verfahren der Produktion und Weiterverarbeitung. Oder sie fallen weg und machen den Weg frei für neue.

Heute gehen wir auf unserem Blog mit Josef Bednarski, Vorsitzender des Konzernbetriebsrates der Deutschen Telekom AG in Bonn, der Frage nach, wie sich die Digitalisierung der Industrie 4.0 auf die Arbeit auswirkt.

Elmar Niederhaus: Herr Bednarski, Sie sagen, die Digitalisierung stellt eine große Herausforderung für die Zukunft der Arbeit dar. Wenn Sie diese Herausforderung einmal beschreiben müssten, wie sähe diese dann aus?

Josef Bednarski: Die Digitalisierung wird zur Auflösung von traditionellen Grenzen, wie zum Beispiel von Arbeitszeit, Arbeitsort und Betrieb, führen. Dies geschieht absolut unterschiedlich in den einzelnen Berufsgruppen. Ebenso wird meines Erachtens der Arbeitnehmerbegriff neu zu definieren sein. Die Anforderungen an den Arbeitnehmerdatenschutz müssen – entlang der exponentiell ansteigenden personenbezogenen bzw. personenbeziehbaren Daten, welche entlang der digitalisierten Arbeitsprozesse notwendigerweise verarbeitet und gespeichert werden – gestärkt werden.

Elmar Niederhaus: Wie zeigt sich aus Ihrer Sicht die Digitalisierung ganz konkret bei industrieller Produktion und Weiterverarbeitung von Waren und Gütern in Deutschland?

Forum der Betriebsraete, HSR Berlin, Deutsche Telekom AG

Forum der Betriebsraete, HSR Berlin, Deutsche Telekom AG

Josef Bednarski: Eines vorab, die Digitalisierung wird sich unterschiedlich in den verschiedenen Branchen und Berufsgruppen auswirken. Nehmen wir als Beispiel einen der weltweit führenden Hersteller von Landmaschinen aus der Region Ostwestfalen-Lippe in Nordrhein-Westfalen. Die Firma baute früher ausschließlich Erntemaschinen, Traktoren und andere Landmaschinen. Dies macht sie heute auch noch, allerdings bietet sie über eine Tochterfirma Software an, die die Landwirte bei der Arbeit unterstützt. Die Maschinen werden anwenderbezogen mit Hard- und Software ausgestattet und können so sehr effizient in der landwirtschaftlichen Produktion eingesetzt werden. Dies konsequent weitergedacht, führt zur Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette – also bis zur Auslastung der Getreidemühle oder der Marmeladenproduktion und der Warenlogistik.
Für die industrielle Produktion bedeutet dies vereinfacht formuliert, dass eine Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen gebildet wird. Die Vernetzung über das Internet und die Analyse großer Datenmengen in kürzester Zeit, ermöglichen neue Produkte und Geschäftsmodelle. Hieraus entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach unterschiedlichen Kriterien optimieren lassen. Das ist die vierte industrielle Revolution! Sie kommt nicht, sie ist schon da und nimmt an Fahrt auf! Und die Hälfte der Jobs, wie wir sie heute kennen, wird es in wenigen Jahren nicht mehr geben.

Elmar Niederhaus: Wie wirken digitalisierte, industrielle Wertschöpfungsketten auf die Arbeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie?

Josef Bednarski: Exemplarisch möchte ich einige Kernpunkte nennen, die nicht abschließend sind. Arbeitszeit und Arbeitsort werden entgrenzt. Hier müssen Regelungen gefunden werden. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz wird durch die Arbeitsverdichtung eine zunehmende Rolle spielen. Gefährdungsbeurteilungen werden eine zunehmende Rolle spielen. Die mögliche Überwachung der Leistung kann zum „gläsernen Beschäftigten“ führen. Hier muss der Beschäftigtendatenschutz gestärkt werden. Der Arbeitnehmerbegriff – Stichwort: Crowdworker – ist mit den gegenwärtigen Regelungen nicht mehr zeitgemäß. Auch hier müssen die gesetzlichen Regelungen angepasst werden.

Elmar Niederhaus: Was müssen die Tarifparteien tun, damit Arbeit in Zeiten der vierten industriellen Revolution eine gute Zukunft hat?

Josef Bednarski: Zunächst möchte ich anmerken, dass man dies nicht allein den Tarifparteien überlassen darf. Hier ist natürlich auch die Politik gefordert, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen! Die Tarifparteien haben nach meiner Auffassung mehrere Spielfelder. Unter anderem stehen folgende Aspekte im Fokus: wie geht man mit den deutlich zu erwartenden Produktivitätssteigerungen und Rationalisierungseffekten um, wie geht man mit den Themen Wochenarbeitszeitflexibilisierung und -verkürzung um, wie muss zukünftig die Aus- und Weiterbildung in den Unternehmen und Betrieben aussehen (Stichwort „Skillmanagement“) und welcher Dynamik unterliegen sie. Ich sehe hier insbesondere die Gewerkschaften als Impulsgeber. Nur dadurch, dass die Beschäftigten auf die sich permanent verändernden Anforderung geschult bzw. weitergebildet werden, wird Beschäftigung erhalten bleiben.

Elmar Niederhaus: Wie sehen Sie aktuell die Situation der Gewerkschaften bei Digitalisierung der Industrie 4.0? Was müssen Gewerkschaften heute tun, um in der tarifpolitischen Auseinandersetzung für eine gute Zukunft der Arbeit in Zeiten der vierten industriellen Revolution zu sorgen?

Josef Bednarski: Gewerkschaften haben für mich auch die Aufgabe, den Strukturwandel nicht nur zu begleiten, sondern diesen auch zu gestalten. Dabei spielt die Frage der Sicherung der Arbeitsplätze – die ich bereits erwähnt habe – eine wesentliche Rolle! In Deutschland bedarf es meines Erachtens einer Digitalisierungsstrategie, die weit über die Förderung der produktionsbezogenen Industrie hinausgeht und die öffentliche Verwaltung ebenso einschließt wie das Gesundheitswesen, die Bildung und die private Nutzung des Internets der Dinge. Die große gesellschaftliche und politische Frage wird sein, wie wir die verbleibende Arbeit und das Einkommen aus der verbleibenden Arbeit verteilen. Die Gesellschaft muss ein Interesse daran haben, dass eine noch tiefere Spaltung auf der Welt zwischen arm und reich zu vermeiden ist! Das können Gewerkschaften allerdings nicht alleine leisten.

Elmar Niederhaus: Danke für das Gespräch, Herr Bednarski.

 

Über Josef Bednarski

Josef Bednarski ist Vorsitzender des Konzernbetriebsrates der Deutschen Telekom AG in Bonn. Der Diplom-Ingenieur ist Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom AG und vertritt dort, u.a. im Präsidial-, Personal- und Prüfungsausschuss, die Interessen der Beschäftigten des Konzerns. Außerdem ist er Vorsitzender des Bundesfachbereichs TK/IT von ver.di in Berlin.

Über Elmar Niederhaus

Elmar Niederhaus ist Politologe mit dem Fachgebiet Politische Kommunikation. Er ist spezialisiert auf Analyse und Gestaltung von Machtbeziehungen in Politik und Wirtschaft. Sein Schwerpunkt ist Politische Kommunikation zur Digitalisierung der Industrie 4.0. Als Initiator und Leiter des Projektes Leadership für Politik und Wirtschaft bloggt und veröffentlicht er Bücher zu Digitalisierung und Leadership in Change-Prozessen

 

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